Greenland 2018

In der Disko Bay ist einfach zu viel los um sich die Zeit mit Blogbeiträgen zu vertreiben.
Zum Crewwechsel geht es nach Ilulissat, wie zu erwarten treffen wir auf knapp 10 sm Eis. Der Isfjord Kangia, seit 2004 Weltkulturerbe der UNESCO, macht seinem Namen alle Ehre. Laut Reiseführer ist der Gletscher Sermeq Kullajeq der produktivste der Nordhalbkugel. Das 3 km dicke Eis bewegt sich zum Isfjord, an der Abbruchkante mit 40 m pro Tag. Die Abbruchstücke sind bis zu 1000 m dick, bis zu 1 Millionen Tonnen schwer und nur die „Kleineren“ können den am Ausgang 200 m tiefen Fjord verlassen. Aber auch die 10-30% sichtbaren Teile der „kleinen“ Eisberge sind beeindruckend. Bis zu 50 m hoch ragen aus dem Wasser. Wir halten auch respektvoll Abstand. Wann es zu Abbrüchen und/oder einem Kippen der Giganten kommt, können wir nicht vorhersagen. Zu wenig Abstand kann schnell gefährlich werden, die tsumani-artigen Wellen alleine haben es schon in sich.
Leider wird es dieses Schauspiel wegen des Klimawandels zukünftig nicht mehr geben. Die Gletscherzunge, die den Isfjord speist wird immer kürzer. Eisberge entstehen nur, wenn der Abbruch direkt ins Wasser erfolgt. Damit ist in absehbarer Zeit Schluss, einzig die Schifffahrt freut es vielleicht. Die Eisberge treiben teils weit in den Süden. Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Eisberg, der die Titanic versenkt hat, auch von hier stammt.
In der gesamten Disko Bay treiben die weißen Riesen, näher am Fjord kommen kleine Growler, Eisbrocken und Stücke dazu. Das Wasser ist teils komplett bedeckt mit Eis. Wir bewegen uns unter Motor langsam im Zickzack Kurs Richtung Ilulissat. Astrid und Lucia gehen Ausguck im Mast und versuchen etwas freiere Passagen auszumachen. Kleine Eisstücke muss LUNA aushalten, größere werden vom Bug aus mit einem langen Bootshaken zur Seite geschoben, so dicht ist das Eis stellenweise, laut Eiskarte 4/10 Bedeckung. Immer wieder begegnen wir Grönländern in ihren kleinen offenen Motorbooten, sie bewegen sich zwar schneller als wir gekonnt durchs Eis, müssen aber auch vorsichtig im Schlingerkurs fahren.
Nach ein paar Stunden Eisfahrt mit 2-3 kn können wir die Einfahrt von Ilulissat vor uns sehen. Das Eis vor der Hafeneinfahrt lässt ein Einlaufen zu, zum Glück.

Der Innenhafen ist eng und voll, wir legen an einer französischen Yacht längsseits an, als Dritte im Päckchen. Das an Land Klettern ist diesmal wesentlich komfortabler als in Nuuk.
Selbst im Hafen ist man nicht ganz sicher vor dem Eis. Mit der Flut schwimmen immer wieder auch große Eisberge in den Hafen, die wir zur Seite schieben müssen (das passiert leider auch mitten in der Nacht). Ab und an müssen sich die Boote den Weg durch die Einfahrt krachend frei brechen. Und der Ebbstrom zieht die meisten Eisberge später wieder mit hinaus, so dass für ein paar Stunden Ruhe einkehrt. Die französische Yacht, an der wir anfangs längsseits liegen, muss beim Auslaufen einiges Eis gut dosiert mit langsamer Fahrt zur Seite räumen, teils wird es mit drauf fahren von ihr geteilt, so kann sie sich zwischen einem Kutter und dem Eis langsam aus dem Hafen manövrieren.
Ansonsten herrscht reges Treiben im Hafen, wir haben zum Glück einen Platz, den wir nicht ständig räumen müssen. Unzählige Fischerboote kommen und gehen, sowie Touristenboote und Yachten. Robben und Fisch werden an der Fischfabrik ausgeladen.
Wir treffen die beiden RUSARC Schiffe von Daniil (Peter 1 und Rusarc Aurora) und später auch die Crystal, neben der wir schon in Nanortalik gelegen haben. Und Frischwasser Bunkern klappt auch problemlos. Alle Tanks an Bord der LUNA sind leer. Die anderen Segler berichten, dass die Fischfabrik angeblich nur noch widerwillig ihren Schlauch zur Verfügung stellt. 400 l in Kanistern herbeischleppen ist kein Vergnügen. Aber Astrids Charme wirkt: „Kein Problem“, wir verholen kurz und können uns sogar mit dem warmen Wasser noch eine komfortable Wäsche gönnen (Duschen gibt es hier nicht).
Der Ort selbst ist schon sehr touristisch mit mehreren Hotels und Souvenir Shops, Kanufahren und Eisausflüge werden angeboten. Die Stadt ist voll mit rundum in neueste Outdoormode gehüllten Urlaubern. Schlittenhunde gibt es hier mehr als Einwohner. Ob die Touristen die Zahl der Schlittenhunde übersteigt ist schwer einzuschätzen. Wenn ein Kreuzfahrtschiff hier auftaucht bestimmt.
Nach Wanderung zum Isfjord und Stadtrundgang und zwei Nächten in warmen Betten mit Dusche fliegen Lucia, Henri, Annette und Frank weiter nach Island.

Die neue Crew Susanne, Helga, Claudia, Niclas und Heidi reist nach und nach an. Die Sonne verwöhnt uns mal wieder, es ist erstaunlich warm. Das richtige Begrüßungswetter.
Astrid und Claudia wollen ein paar Tage wandern. LUNA bringt sie zum Start nach Illimanaq. Um den gut 10 sm entfernten Ort zu erreichen benötigen wir einen ganzen Tag. Es geht in einem weiten Bogen langsam einmal am Isfjord vorbei nach Süden. Vor Ilulissat ist das Eis noch dichter geworden, am Fjordausgang ist alles dicht. Die neue Crew ist beeindruckt. Niclas absolviert ein ordentliches Sportprogramm am Bug mit Eis wegräumen.

Obwohl Illimanaq direkt südlich vom Isfjord liegt ist die Bucht so gut wie eisfrei.
Kurz vor dem Ziel sichtet ULI noch Buckelwale. Wir nähern uns vorsichtig den mit der Jagd beschäftigten Tieren. Die Tiere tauchen mehrmals gemächlich zum Luftholen auf, zeigen Rücken und Blas. Dann verschwinden sie für ein paar Minuten und schießen dann alle dicht beieinander gleichzeitig mit aufgerissenen Maul in die Höhe. Von der Methode, die Beute unter Wasser mit Luftblasen einzukesseln und dann zuzuschlagen, hat bestimmt jeder schon einmal etwas gehört. Life ist nur der Teil oberhalb der Wasseroberfläche zu beobachten, wir sind beeindruckt.


Die Wandergruppe Astrid-Claudia gönnt sich doch noch eine Nacht an Bord, wir setzen sie am nächsten Morgen an der Pier aus. Die verbliebenen Vier versuchen sich durch das Eis aus dem Isfjord wieder Richtung Norden mit Ziel Ataa-Sund und Ataa Summer Camp durchzuschlagen. Nach Eiskarte ist mit Eis der Dichte 5/10, später 3/10 zu rechnen. Wir versuchen ein durchkommen, versuchen es in einen immer weiteren Bogen fast bis zur Disko-Insel. Nach 10 h und etlichen Versuchen nach Norden zu kommen gibt ULI auf. Immerhin müssten wir zwei Tage später nochmal da durch. Schade, es soll dort oben sehr schön sein. Aber das Eis ist so dicht, dass wir uns nur im Schritttempo durchschieben können. Die Logge funktioniert irgendwann nicht mehr, Unter den Rumpf gedrücktes Eis muss die Flügelräder beschädigt haben (Wir hatten noch überlegt sie vorsichtshalber zu entfernen, schön blöd.). Schrauben- oder Ruderschaden wollen wir nicht riskieren. Und es gibt ja noch andere schöne Ziele.
Also gehen wir auf Westkurs Richtung Disko Fjord (Westseite Disko-Island), ein kurzer Zwischenstopp in der Fortune-Bay könnte zum Beluga-Wal-Zähne organisieren genutzt werden. Wir hatten ja nur vier ohne Werkzeug beim letzten Stopp mitgenommen.

Dann dauert doch wieder alles länger und wir kreuzen nachts im Regen an der Fortune-Bay vorbei um mittags ganz am Ende eines Fjordarmes in der Nähe von Kangerluk zu ankern (Arsuk). Die 27 Stunden Fahrt hierher haben sich gelohnt. Der Bemerkung von Reinhard in seiner Seekarte „sehr schön“ ist treffend.  Vor uns plätschert ein Bach durch dichtes Grün in die Bucht, um uns sanfte Hügel. Es ist windgeschützt und ruhig. Selbst das UKW Funkgerät schweigt, kein Empfang hier drinnen. Den Rest des Tages verbringen wir mit gammeln und essen. ULI wundert sich beim Bilge trocken legen, dass ihre Finger nicht kalt werden. Eine Messung der Wassertemperatur bestätigt sie: Wir messen unglaubliche 9 °C, ULI freut sich auf ein warmes Morgenbad 😉
Für Dorsch ist es anscheinend zu warm, es gibt schon wieder keinen Fisch.
Beim Langgang entdecken wir mehrere Feuerstellen und leider auch Müll, scheint ein beliebtes Plätzchen zu sein. Der Bach wird von einem See gespeist, so warm ist der aber auch nicht um die ganze Bucht aufzuheizen. Schafft die Sonne das hier? Kommt uns unwahrscheinlich vor, die Lufttemperatur leibt ja auch einstellig. Von warmen Quellen steht nirgendwo etwas, wir klären die Ursache nicht mehr.

Helga braucht Auslauf und beschließt die 5 sm nach Kangerluk zu laufen,  LUNA folgt etwas später und wir nehmen sie abends mitsamt Strandgut wieder an Bord. Kangerluk hat laut Revierführer nur gut 30 Einwohner, die noch ganz traditionell von Fischfang und Jagd leben. Angeblich einer der isoliertesten Ortschaften Grönlands, deshalb seien die Einwohner besonders grönländisch. Helga begegnet immerhin 7 der 30 Bewohner, sogar eine Fähre legt kurz an.
Der nächste Morgen ist mal wieder einer der magischen Momente, die man so schnell nicht vergisst. Helga und ULI stehen um 6 Uhr auf, pünktlich zum Ankermanöver hebt sich der Nebel langsam. Kangerluks Häuser leuchten in der Sonne, eingerahmt von einem Nebelbogen, während der Fahrt aus dem Fjord tauchen immer mehr der Felsen und Bergspitzen, sowie Teile der Eiskappe in der Sonne auf.


Zur Abwechslung wieder eindrucksvolle und vielfältige Eisberge an der Küste und auf dem Weg zu den Kronprinsens Ejland, unserem nächsten Stop. So bekommt die aktuelle Crew das Naturschauspiel auch noch einmal unter besten Bedingungen zu sehen. „Jetzt kommt eine Schildkröte, danach das britische Parlament, eine Rutschbahn, ein liegender Mensch, ….“, so werden die Eisberge ULI während ihres Mittagsschlafes in der Sonne an Deck angesagt.
Und bevor wir Astrid und Claudia in Aasiaat wieder einsammeln können wir nochmal einen ganzen Tag segeln, was hier leider nicht so oft klappt.
(Uli, 12.-20. Juli)

1 thought on “Disko Bay

  1. Wow, wow, wow! Ich bin begeistert, von Euren Erlebnissen auf dem Weg zur und in der Disko Bay zu lesen und bin ehrlich gesagt auch ein bisschen neidisch… Die Natur scheint weiter nördlich ja mit allem aufzuwarten, was man in polaren Gewässern so erwartet! 🙂

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