Greenland 2018

Freitag 03.08.2018

Paamiut schaffen wir heute nicht mehr. Also fällt die Wahl auf die Ankerbucht „Avigait“ 20 sm weiter nördlich. Wenn wir schnell sind klappt es vielleicht noch vor der Dunkelheit.

Wir motoren das letzte Stück nach der Passage  des „Frederikshabs Isblink“ nach draußen. Und werden mit einem Sonnenuntergang verwöhnt, der seinen Namen verdient. Herrlich anzusehen, das Gletschereis wird rötlich ausgeleuchtet, ebenso die Steile Küste Grönlands. Das Wasser ist noch karibisch blau vom Gletscherwasser, teils fast weiß vom Sand. Der Himmel rot, ….

Zugegeben, ein Sonnenuntergang kann auch schön sein. Besonders von See aus mit freiem Blick.

Um 24:00 Uhr gibt es noch Restlicht, wir sehen seit Wochen mal wieder Sterne. Ein heller Fleck am Himmel gibt uns Rätsel auf: Zu hell für einen Stern, leicht rötlich, vielleicht doch ein Segler? Schwer zu beurteilen, ob sich der Lichtpunkt bewegt. Oder ist es nur unsere Bewegung beim Anlaufen von Avigait. Ab und zu verschwindet er hinter einer Insel, taucht wieder auf. Nach einiger Zeit wird klar, das er langsam noch oben wandert, also kein Boot.

Dafür kommt der Mond rot leuchtend hinter einem Berg hervor. Halbmond, der langsam zum Viertel wird. Leider bald wieder von Wolken verdeckt.

In der Bucht ist es dann doch um 00:30 Uhr recht dunkel. Die elektronische Karte hat einen Versatz von ca. 150 m, in der Bucht liegen mehrere Steine, da gerade Hochwasser ist, leider nicht sichtbar.

Langsam tasten wir uns vor und ankern dicht hinter einer kleinen Insel.

Um 04:00 Uhr bestätigt ein Blick nach draußen, dass die Steine weit genug weg sind. Zum Glück hält der Anker bis morgens, der Ankeralarm meldet sich erst um 7:00 Uhr.

Und jetzt weht es aus SE, wir warten auf ein Abflauen. Hoffen, dass der Regen ausbleibt, noch ist es trocken.

(Uli)

Samstag, 04.08.2018

Der Regen bleibt nicht aus. Noch bei unserem Landgang in der halb verlassenen Siedlung Avigait setzt er ein, nicht stark, aber beständig. Während der Windgenerator ungerührt läuft und den in die Bucht hineinwehenden Wind nutzt, wird das Deck der LUNA tropfnass. Da ist es – bei 6°C draußen – im geheizten Salon bei Kaffee und Keksen sehr gemütlich; die alltägliche Abendessensdiskussion wird unter Inspektion der Vorräte geführt und bringt gerade getrocknete Tomaten zum Vorschein, die sich später zu dem frisch gepflückten Löwenzahn gesellen dürfen.

Fischtechnisch hatten wir auf unserer gesamten bisherigen Etappe von Sisimiut eher wenig Glück, nur ein kleiner Dorsch verirrte sich in einem Fjord an die Angel. Vor allem nach den Geschichten der letzten Törnabschnitte („einmal die Angel reingehalten und neun Dorsche auf einmal hingen dran!“) stellt sich die Frage, woran das liegt. Ist der Süden vielleicht weniger fischreich als der Norden? Umfahren wir vielleicht unwissentlich die guten Angelgründe? Oder haben wir dem Meer mangelnden Respekt erwiesen und nun hält die Mutter des Meeres die Tiere bei sich?

Um Letztere rankt sich eine bekannte grönländische Legende, die bereits in der „Air Greenland“-Bordzeitschrift zu lesen war und die auch im Nationalmuseum in Nuuk wieder auftauchte. Demnach hält die Mutter des Meeres, wenn die Menschen sie erzürnt haben, die Tiere – Fische, Robben, Eisbären, … – in ihren langen Haaren fest und enthält sie den Jägern und Fischern vor, sodass diese leer vom Fisch- und Robbenfang zurückkehren. Nur ein gewitzter Schamane mit viel Mut und Seele könne dann so nah an sie herankommen, dass er ihre Haare liebevoll bürsten und pflegen darf, ohne sich selbst darin zu verfangen. Daraufhin gebe die Mutter des Meeres gerührt die Tiere wieder frei.

Ihr ist in Nuuk eine Skulptur gewidmet, die passenderweise vor dem alten Ortskern im Wasser steht und sanft von kleinen Wellen umspielt wird.

 

Wären nicht Logbuch, Wachwechsel und der tägliche Positionsbericht an Aasiaat Radio, wäre die bereits vergangene Törnwoche zu einem ununterbrochenen datumslosen Zeitklumpen verschmolzen. Während es nördlich des Polarkreises noch stets hell war, haben wir inzwischen zwar auch ein paar dunklere Stunden nachts – aber dennoch, die Tage verschwimmen erholsam zu einer einzigen Erinnerung. Die vorbeiziehende Kulisse der grönländischen Westküste ist eine reine Augenweide, ein Panorama, von welchem man den Blick gar nicht mehr abwenden möchte. Alpine Gebirgslandschaften, die Gipfel vielfach schneebedeckt, tiefe Fjorde, tausende kleiner felsiger schärenartiger Inselchen vor der Küste, karibisch türkisgrünes Wasser, in dem immer wieder Robben spielen…

Im Hamborgersund, vor großartig spektakulärem Fjord-Berg-Hintergrund, packten wir den Blister aus, setzten ihn an backbord und genossen, orange-weißes Segel vor blauem Himmel, ein kurzes schnelles Segelvergnügen. Hoch – runter – hoch – runter … jeder Windhauch aus der richtigen Richtung wird eingefangen und zum Segeln genutzt. Leider steht insgesamt der Wind nicht ganz auf unserer Seite, sodass vor kurzem in der Gesamtbilanz die Motormeilen die Segelmeilen überholt haben. Mal sehen, ob wir bis Narsarsuaq wieder ein wenig ausgleichen können! Für heute Nacht jedenfalls haben wir im äußeren Fahrwasser fest geplant, zu segeln. Mit in der Dunkelheit hoffentlich ausreichender Sicht auf mögliche Eisberge, die sich hier im Süden herumtreiben. Astrids Prognose, Eisberge seien scheu und würden sich erst in der Dunkelheit zeigen, wenn die Sicht schlechter wird, widersetzte sich zumindest gestern Abend ein vorwitziges Exemplar am Südende des „Frederikshabs Isblink“. Im bunten Licht des Sonnenuntergangs zog er an uns vorbei Richtung Norden und ergänzte das abendliche Farbenspiel durch ein mystisch schimmerndes Hellblau in seinem Inneren.

(Inken)

 

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