Greenland 2018

Vor lauter Ereignissen kommen wir gar nicht dazu über alles lückenlos zu berichten. Pech für unsere Leser/innen, aber ihr hättet sowieso mit hier sein müssen und alles hautnah miterleben. Was wir sehen und erleben lässt sich kaum in Worte fassen….
Am Mittwoch (22. August) verlassen wir am Nachmittag Augpilagtoq und dampfen unter Motor gegen den wieder kräftig aufgefrischten Wind an Richtung LUNAs Place. Wir stellen erleichtert fest, dass unsere Lieblingsankerbuch an der Nordostseite von Pamiagdluk ausreichend Schutz bietet. Für Donnerstag ist die Wetterprognose gut, so hoffen wir doch noch den ausgewählten Gipfel zu erklimmen.
Früh um 4:00 stehen wir auf, frühstücken und lassen uns von ULI an Land absetzen. Die Luft ist klar, der Himmel nur in den oberen Schichten bewölkt, die Berggipfel sind gut sichtbar. Wir stapfen mit Eisen, Seilen, Proviant und freudiger Erwartung ausgerüstet um den See Richtung Einstieg. Wenn ich ehrlich bin, habe ich keine Idee was mich erwartet. Ich bin noch nie richtig alpin geklettert, weiß nicht wirklich wie das mit den Mehrseilrouten so geht und kann auch nicht einschätzen wie schwierig es werden wird, ob ich die Höhe ab kann und ob ich irgendwann Angst bekommen werde. Aber ich klettere gerne und vertraue Gunther, Gunter und Carola voll und ganz. Wenn die mir das zutrauen wird es schon klappen…
Der von der Ankerbucht mit Fernglas ausgespähte Einstieg (auf 400 m) scheint zu passen. In IIer bis IIIer Gelände kommen wir gut voran, nur einmal muss ich etwas durchatmen und den Gedanken ans Abrutschen wegschieben. Auf einem Absatz mit grandioser Aussicht beschließen wir die Seile auszupacken und gesichert weiter zu klettern. Das Wetter ist besser als erwartet, die Sonne durchbricht ab und an die Wolken und es ist angenehm warm und windstill, ideale Bedingungen. Die uns vorliegenden Beschreibungen sind recht dürftig, wir wissen lediglich an welcher Kante es hoch gehen soll (für die Kletterleute: es gibt kein Topo). Wir klettern jeweils zu zweit. Gunter steigt vor und wählt die Route aus, Carola sichert und steigt dann nach. Als zweite Seilschaft folgen Gunther und ich. Für mich ist es vergleichsweise leicht, denn ich weiß, dass die anderen sicher hoch gekommen sind und muss nur entlang des Seils nach oben klettern. Der Granit ist rauh und gut griffig und ich finde überall genügend Griffe und Tritte. Herumliegendes Geröll versuche ich zu umsteigen, damit es nicht ins Rutschen kommt. Ein bisschen kucken muss man schon, wo man hintritt und woran man sich festkrallen kann. Wie ich erst hinterher erfahre liegt hier jedoch eher viel Geröll rum und so donnert doch der ein oder andere Stein herab. Die Höhe macht mir glücklicherweise keine Probleme. Es gibt immer wieder Absätze, so dass wir kurz rasten können. Die Aussicht ist grandios. Wie schon bei der Besteigung von Ingrids Toppen blicken wir begeistert auf die umliegenden Berge, Gletscher und Fjorde. Und wir haben die LUNA die ganze Zeit über im Blick – gut zu wissen, dass ULI und Eshana unten auf uns warten! Am Fels hängend bedaure ich, dass der Fotoapparat im Rucksack liegt und somit nicht erreichbar ist. Ich schalte ab und an die GoPro an, die an meinen Helm montiert Fotos und Zeitraffervideos aufnimmt. Da ich ungeübt bin, kann ich kaum kontrollieren was genau ich damit aufs Bild bekomme.
Gefühlt kommen wir zwar gut voran, müssen aber feststellen, dass wir zu langsam sind. Laut Beschreibung dauert die Klettertour 5,5 Stunden. Uns war klar, dass wir länger brauchen werden, immerhin müssen wir nach dem Einstieg 700 m klettern und den Weg dazu erst noch suchen. Langsam verschwindet die Sonne hinter dem Gipfel und wir beeilen uns so gut es geht. Die Schlüsselstelle (IV+) liegt laut Beschreibung recht weit oben, wo genau erschließt sich mir nicht. Ich bin froh, hier nicht vorsteigen zu müssen. Irgendwann sind wir laut Höhenmesser auf 1060 m, der Gipfel ist noch nicht zu erkennen. Das Klettern am Grad auf den letzten Höhemetern ist noch einmal besonders beeindruckend schön, mit Blick in tiefe Schluchten und auf weiß in der Sonne strahlende Schneefelder. Dann empfängt mich Gunther am Stand mit den Worten „wir haben es geschafft und können die Schuhe wechseln“. Die letzten Höhenmeter laufen wir ohne Seil über Felsbrocken und Geröll und erreichen dann endlich den Gipfel! Gunter und Carola warten schon lachend auf uns. Wir grinsen, sind glücklich und erleichtert! In Eile werden Fotos gemacht, geraucht, gegessen und getrunken. Mit dem Iridium-Handy rufe ich ULI an und gebe unseren Standort durch: wir sind oben, endlich!
-> Foto
Nach etwa einer halben Stunde brechen wir um 19:30 Uhr auf. Es ist reichlich spät und uns steht noch der lange Abstieg bevor. Wir laufen fast eine Stunde vom Naujarssuit (1.100 m) bis zum Nachbargipfel (Ingrids Toppen, 1.020 m), von dem aus wir den zuvor erkundeten Weg absteigen. Zügig eilen wir den Geröllhang hinab. Es ist schon so gut wie dunkel als wir die schwierige Stelle den Wasserfall runter erreichen. Ich kann mich gut hinunter tasten, werde aber ziemlich nass. Inzwischen ist es dunkel und es geht mit Stirnlampen weiter. Dummerweise finde ich meine nicht. Ich fluche über meine Blödheit und bleibe dicht bei den anderen, die für mich mit leuchten (später fluche ich noch mehr, denn ich hatte meine Lampe nicht vergessen, sondern war nur zu blöde sie zu finden). So geht es im Gänsemarsch über Geröll, Felsbrocken, Schneefelder, Moose und Krüppelwaldfelder hinab. Beim Gehen schwitzen wir, beim Pausieren ist es schnell kalt. Es ist nach Mitternacht, als wir den See erreichen, wo der Weg einfacher wird und um 1:30 sind wir endlich am Dinghylandeplatz. Uli holt uns ab. An Bord hat Eshana für uns ein köstliches Nachtmahl gekocht. Ich bin ziemlich ausgehungert und hatte überhaupt keine Lust mehr noch mehr Früchteriegel und Nüsse zu essen. Beim Essen berichten wir begeistert von unserer Tour. Nach einem kleinen Schluck Whiskey fallen alle todmüde in die Kojen.
(Astrid)

 

1 thought on “Naujarssuit

  1. Hallo zusammen, insbesondere Uli: ich verfolge, nicht regelmäßig, aber doch immer fasziniert euer Abenteuer.
    Herrliche Berichte und Bilder.
    Weiterhin viel Spaß euch allen und noch einmal einen besonderen Gruß an Uli.
    Liebe Grüße Ralf

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