Greenland 2018

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Worte der Glückseligkeit

Wir haben heute nach zwei recht windarmen und dafür wellenreichen Tagen endlich auch wieder passenden Wind zu den Wellenbergen, die LUNA schiebt sich mit 6-7 Knoten durch die kühlen Fluten. Laut Uli in Spitzen sogar mit 13,2 Knoten auf einer Welle surfend. Die Stimmung an Bord ist gut, wir lassen uns die Sonne ins Gesicht scheinen und hören „Sailing Conductors“ über die Boxen. So mit unseren Guacamolebroten in der Hand fühlen wir uns gänzlich wohl hier mitten auf dem Nordatlantik irgendwo zwischen Grönland und Schottland.
Aus diesem Zustand völliger Zufriedenheit heraus möchte ich euch also gerne über den heutigen Morgen berichten, der so kaum in Worte zu fassen ist. Ich habe die Sonnenaufgangswache am Morgen abbekommen und so fällt es mir zu, zusammen mit Astrid als Standby diese frühen Stunden zu genießen, in denen sich die Welt meist von einer ganz eigenen Seite zeigt. So auch heute. Direkt voraus ging die Sonne in gleißendem orangerot hinter einer zerrissenen Schicht aus Haufenwolken auf und ließ die See vor uns in einem dunklen blau mit goldglänzendem Überzug erstrahlen. Die spritzende Gischt der hohen Wellenkämme sprenkelte diesen Hintergrund zeitweise geisterhaft mit einem dunstigen Schleier und die hohe Dünung schien ins Unendliche zu gehen. Von Achtern zogen immer wieder große Wolken wie bedrohlich dunkelgraue Schlachtschiffe auf, die starke Böen mit sich brachten und schlieren von Regen hinter sich herzogen und sich langsam vor die Sonne schoben. Für diese Momente wirkte die See fast schwarz, lediglich die sich brechende Gischt versah das Wasser mit weiß-türkisen Flecken. Mit jeder Wolke bildete sich in unserem Rücken ein neuer Regenbogen. Während die LUNA so mit gereffter Fock durch das Szenario glitt, tauchten plötzlich etliche Rückenflossen an Backbord aus den schwarzen Tiefen auf, die sich ihr in schnellem Tempo näherten. Mit den Wellen schoss da eine Delfinschule heran, Wasser umspritzte ihre Bewegungen und sie stürmten wir Reiter an einer Front unaufhaltsam voran um im nächsten Moment wieder unterzutauchen und aus einer völlig anderen Richtung zurückzukehren. Sie schossen mit ihren schlanken, starken Körpern über den Wellenkämmen aus dem Wasser, ganz so als wüssten sie, dass wir dort an Bord standen, bestaunten und uns selber ganz plötzlich behäbig und langsam fühlten. Wieder und wieder sprangen sie mit einem Flossenschlag in die Höhe und es wirkte dabei ganz so, als würden sie anstelle durch Wasser eher durch Wolken tanzen. Noch während Astrid heruntereilte um eine Kamera zu holen, verschwanden sie mit einem letzten Sprung in den Weiten der See.
Noch immer ungläubig staunend über das Geschehene steuerte ich die LUNA weiter gen Osten, Astrid hatte sich – von der Aufregung müde geworden – in die Sonne zum Nickern gelegt. Da tauchte plötzlich ein weiterer Besucher auf. Ein lautes Prusten ließ meinen Blick nach rechts schießen. Direkt neben dem Boot in ungefähr 5m Entfernung tauchte ein riesenhafter grauer Wal auf. Ich schrie auf, halb vor Schreck, halb vor Ungläubigkeit. Stück für Stück entblößte er von der Finne angefangen nach und nach den Rücken bis er mit einem kräftigen Schlag seiner Schwanzflosse wieder in den Tiefen des Nordatlantiks verschwand und nur eine Spur sprudelnden Wassers zurückließ. Astrid war durch meinen Schrei hochgeschreckt, leider jedoch einige Sekunden zu spät, der Wal war unseren Blicken entschwunden. Ich musste laut lachen, diese Situationen sind oft so absurd, dass man sie – wohl auch dank der Kürze der Momente – kaum zu glauben vermag. Und gerade das macht sie jedoch so wunderschön. Es ist die ganz spezielle Magie einer Welt, die für das menschliche Auge meist unsichtbar bleibt. Wir sind Fremde hier, die auf der Oberfläche eines anderen Planeten reisen und durch diese Augenblicke – und das sind sie beileibe, lediglich einige Sekunden – Einblicke darein bekommen, was sich unter diesem Panzer aus schwarzblauen Wellen und Gischt verbirgt und uns auf unserer Reise umgibt und begleitet.

(Eshana, 02. September, Rockall Plateau (1100 m Wassertiefe))

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Bordalltag

Unterwegs zu sein, hat seinen ganz eigenen Rhythmus. Mittlerweile sind wir alle mittendrin. Eine Freiwache zum Schlafen nutzen, die andere zum Lesen, Navigieren, Kochen und für einen Powernap. Das Rollen des Schiffes bei achterlicher Brise entschleunigt. Immer festhalten, alle Gegenstände, keine Tasse oder Topf kann man auch nur kurz loslassen. Die Aries-Selbststeueranlage (Willy) steuert schlecht bei achterlichem Wind, für den Autopiloten fehlt elektrische Energie wegen defekter Batterie und zu wenig Wind für den Windgenerator, wir müssen also oft selbst ran. Wenn LUNA durch die See prescht, ist steuern das reinste Vergnügen. Drei Stunden Wache vergehen wie im Flug. Auch nach gut 40 Jahren Segeln begeistert es mich immer noch, wie ein Segelboot durch die See gleitet. Von der von achtern anlaufenden See angehoben wird, Brecher meistens neben dem Heck auslaufen, wenn sie einem nicht doch eine Dusche im Cockpit verpassen. Dann beschleunigen die knapp 15 t Stahl und gleiten ins Wellental, um gleich wieder aufwärts gehoben zu werden.
Oft begleiten uns Sturmvögel, gestern Abend taucht ein Orca dicht am Heck der LUNA mehrmals aus den Wellen auf, die hohe Rückenfinne zum Greifen nah. Eshana und ULI haben das Glück den kurzen Moment begeistert draußen zu erleben. Gerade eben besuchen uns mehrere Grindwale. Wir hoffen auf noch mehr Wale.
Wir lesen viel, lesen uns gegenseitig vor. Vor allem die Standby der Rudergängerin. Jede Crewkombination ein anderes Buch: Carola liest Astrid aus Birgit Lutz „Heute gehen wir Wale fangen“, ULI für Carola „Nordwasser“ von Ian McGuire, Eshana für ULI englischsprachige Bücher (Englischunterricht) oder wenn ULI sich erfolgreich wehrt Sherlock Holmes Hörbücher zur Entspannung. Wann kommt man schon mal im Alltag zu so schönen gemeinsamen Stunden.
Essen ist natürlich ganz wichtig: Irgendwann nach Wachwechsel 09:00 Uhr Frühstück (Porridge, Brot, gebratene Eier, Obstsalat und/oder Müsli), mittags ein warmer Imbiss und gegen 18:00 Uhr das Abendessen, bevor die ersten vor ihrer Nachtwache noch eine Runde Ruhen wollen. Immer frisch gekocht, Dosensuppenwetter blieb bisher aus, zum Glück. Noch haben wir frisches Gemüse, demnächst müssen wir kreativ mit den Dosenvorräten kombinieren. Uns ist bei 13°C Lufttemperatur so warm, dass wir gerne auf die Heizung verzichten.
Heute könnte es ruhig etwas stärker wehen, bei wenig Winddruck im Segel rollt LUNA besonders, schaukelt sich immer wieder auf. Weiter nördlich tobt sich ein Tief aus, wir sind erfolgreich nach Süden ausgewichen und dürften die nächsten Tage auch nicht mehr allzu viel abbekommen.
Ein- und Ausreffen sowie Segelwechsel halten uns manchmal auf Trab, mittlerweile sind wir gut eingespielt, jeder Handgriff sitzt. Ab und zu gibt es noch kurze Diskussionen, wann „rechtzeitig gerefft“ wird.  Nachts werden Segelmanöver so weit möglich auf die Zeit des Wachwechsels gelegt, es ist ruhig an Bord, die Wache Gehende mit der Nacht oft alleine. Zeit zum Schauen, zur Ruhe kommen und seinen Gedanken nachzuhängen.
Wie viele Tage wir schon unterwegs sind, wird glücklicherweise im Logbuch dokumentiert, Zeit verschwimmt immer mehr.
Mir wird das Ankommen wieder schwer fallen. Landfall ist immer auch ein Abschied von der See.

(ULI, 31.08., siebte Tag auf See, im Logbuch nachgezählt)

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Nordatlantik

Das positive zuerst: es ist wärmer geworden. Schon nach 24 Stunden ist die Wassertemperatur auf üppige 7,3 ° C angestiegen, die Lufttemperatur sinkt auch nachts nicht mehr unter  5° C, tagsüber messen wir meist über 10° C.
Aber: Schon beim Verlassen des Prins Christian Sunds stand eine üble Kreuzsee. Unter Maschine haben wir uns bemüht, schnell Abstand zur Küste zu bekommen. Sonntag hat der Wind dann zugelegt und uns eine erste unbequeme, stürmische Nacht beschert. Erst geht es runtergerefft gut voran. Um 2100 Uhr ist es dann soweit. In Windeseile bergen wir das Groß, als Böen mit 30 kn von achtern über uns herfallen. Später beruhigt sich der Wind wieder etwas und wir dümpeln zwischendurch bei Sonnenschein und blauem Himmel im Zentrum des Tiefs. Bis früh um 9:00 jagt der Wind aus NW mit 7-8 Bft. uns über die See. Luna bringt es auf 7-8 kn und der GPS misst die Wellen hinab auch mal 10-14 kn Geschwindigkeit. Tolle Rauschefahrt, ist aber leider anstrengend, in den Böen kaum noch steuerbar und nass. Heute (Dienstag Mittag) nimmt der Wind langsam ab. Es gab Porridge und Kaffee und wir holen etwas Schlaf nach.
Wir bekommen ständig Wetterberatung von Reinhard und laden 1-2x täglich grib-files herunter. Den kommenden Tiefs versuchen wir so gut wie möglich auszuweichen… Bisher fällt noch alles in die Kategorie „LUNA-Wind“, d.h. LUNA fühlt sich wohl und prescht voran. Die Crew hätte es gerne etwas ruhiger – aber was soll’s, uns bleibt wohl keine andere Wahl.
(Astrid, 27. August)

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Abschied

Mein Herz weint.  Eshana fragt wie ich mich fühle. Zum Heulen meine Antwort.
Samstag 25.08.  Wachantritt um 21:00 UTC, Prins Christian Sund liegt hinter uns und leuchtet orange in der Abendsonne, daneben Kap Farvel im letzten Licht. Vor uns der Atlantik, ganz ruhig, der Vollmond geht auf. Wie um uns den Abschied zu erleichtern. Es hilft nichts, mein Blick geht immer wieder nach achtern.
Grönland zu besuchen war schon lange mein Traum. Wir erfüllen uns diesen im angeblich  miesesten Sommer seit langen hier oben. Nebel, Regen,  Gegenwind, kalte Hände und Füße, alles egal.
Diese Landschaft lässt mich nicht los. Sie nimmt mich auf mit ihrer Stille, Weite, Vielfalt und Unberechenbarkeit. Einsame Ankerbuchten, gut  geschützt, der letzte Rest Zeitgefühl geht verloren. Beim Landgang die Umgebung erkunden, nur da sitzen und genießen. „Stille“ bekommt hier eine neue Bedeutung, nicht zu beschreiben, was sie mit einem macht. Tut unglaublich gut.
Eis ist ein einziges  Farb- und Formenspiel. Bei Nebel kaum auszumachen, gefährlich verschmolzen darin. Grau, blau, schwarz oder auch weiß funkelnd und strahlend bei Sonne. Mal Torbogen, mal Drachen, Pyramide, zerbrechend und sich drehend mit lauten Knall.
Die Inuit lebten immer nur im hier und jetzt, nicht in Gedanken an Zukunft und Vergangenheit. Das geht hier auch nicht anders.
Man ahnt manchmal wie erbarmungslos und brutal das Land zu seinen Bewohnern sein kann. Fragt sich bei kleinen Siedlungen am Ende der Welt wie Augpilagtoq kurz vor Kap Farvel, wie es sich dort eingeschlossen vom Eis im Winter lebt. Sind deshalb überall alle Häuser so bunt?
Wir haben Begegnungen mit netten Menschen, die mich bereichern. Auch darüber weint das Herz, wer weiß, ob ich sie wieder treffe.
Etwas von mir wird in Grönland bleiben. Ich frage mich, was  ich schaffe mitzunehmen, mir zu erhalten. Es wird mich und meinen Alltag bereichern.
Danke Grönland und ihr Menschen dort, hoffentlich sehe ich euch wieder.
(ULI, 26. August)

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Northabout

The following article will be written in English for the better understanding for our friends from the SV Northabout. The Northabout is a british aluminium boat built for expeditions in the Arctic waters. It has already done the North-East and the North-West Passages and has recently crossed Greenland’s 80° by sailing along the westcoast. It is skippered at the moment by Mike whom Uli and Astrid met in Nuuk and with whom they made an appointment back then to meet again down at Kap Farvel shortly before leaving Greenland as they wanted to leave towards Ireland at the same time as we wanted to depart back to Germany.
We had been messaging with Mike during the last weeks and he wanted to leave towards Kap Farvel soon to meet us around the 24th of August for the promised Beach Party. Luckily Mike had a stop in Qaqortoq so we were able to order some groceries. We calculated the use of some things quite wrong – such as Coconutmilk and Chillipowder and especially butter which was needed in a huge amount due to our massive production of Angelica butter– and we were urgently in need of a new back up battery as one of our batteries broke down.
As Mike messaged us on 22nd that he would be now leaving Narsaq we didn’t expect him to arrive before Friday. While our climbers reached the summit in the early evening on Thursday and were looking down the Fjord they were able to see a surprising situation: a boat approaching LUNA’s place which seemed familiar to Astrid. It was then that she called back Uli to spread the news that the Northabout must have been racing during the last 24 hours to reach LUNA as fast as possible and that she was now approaching the bay. Shortly afterwards (with enough time to clean up the boat as Uli and Eshana were just messing around with dandelion and Angelica which they had collected earlier that day) the Northabout went alongside the LUNA and Uli and Eshana got to meet Rupert and Graham who were the Crew next to Mike for the Crossing.  They were invited over for dinner and spent a nice evening in excellent company on the Northabout while they were waiting for the climbers to return safely from the mountain. As Uli actually promised to catch some Arctic Char for the meeting and was quite unlucky with her plan up to now, Mike decided to bring out the net to increase the possibility of having grilled fish for the next day. Fortunately, a couple of hours later there were already two fishes in the net and when Astrid and Uli went to take out the net the next morning it turned out that we did not only have enough fish for everybody for a great dinner but that we were lucky and caught an Arctic Char! As the weather forecast looked good to start a crossing early on Saturday morning it was planned to sail over to Augpilagtoq on Friday to drop Gunther and Gunter and to have our beach party over there. But as it happens quite often the weather did not take notice of our plan and decided to come up with some strong wind up to 40 kn on Friday which forced us to return to LUNA’s place shortly after leaving it.
We therefore decided to invite our friends over for dinner. Astrid and Carola wanted to pick up some dandelion and a few more mushrooms and were accompanied by Graham and Rupert who had a hard time to reach the LUNA. As Graham told us later on he had the impression to be blown out into the fjord and off to the weather station in Prins Christian Sund. Finally they managed, by paddling around the whole bay and reached LUNA with a downwind drift finish. We then put on our outboard engine to make water taxi service easier.
Instead of the beach party we expected our guest early in the evening on board LUNA and served grilled trout and Arctic Char. Which was as Gunther said the best fish he had ever eaten. We finished our dinner with pudding desert and a little sip of Whiskey and said goodbye to our dear friends. Early next morning we took back our outboard engine and waved goodbye, as NORTHABOUT was lifting it’s anchor for an early departure. Although we had hoped to catch up with our best racing skills, we did no manage. After dropping off Gunther and Gunter in Augpilatoq, we went down Prins Christian Sund. The weather had settled down, sun came out and we had a wonderful last day in Greenland. We really hope to meet again soon the crew of NORTHABOUT, maybe in Irland or other place in the world and we wish them a safe passage.
(Eshana, 25. August)

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Naujarssuit

Vor lauter Ereignissen kommen wir gar nicht dazu über alles lückenlos zu berichten. Pech für unsere Leser/innen, aber ihr hättet sowieso mit hier sein müssen und alles hautnah miterleben. Was wir sehen und erleben lässt sich kaum in Worte fassen….
Am Mittwoch (22. August) verlassen wir am Nachmittag Augpilagtoq und dampfen unter Motor gegen den wieder kräftig aufgefrischten Wind an Richtung LUNAs Place. Wir stellen erleichtert fest, dass unsere Lieblingsankerbuch an der Nordostseite von Pamiagdluk ausreichend Schutz bietet. Für Donnerstag ist die Wetterprognose gut, so hoffen wir doch noch den ausgewählten Gipfel zu erklimmen.
Früh um 4:00 stehen wir auf, frühstücken und lassen uns von ULI an Land absetzen. Die Luft ist klar, der Himmel nur in den oberen Schichten bewölkt, die Berggipfel sind gut sichtbar. Wir stapfen mit Eisen, Seilen, Proviant und freudiger Erwartung ausgerüstet um den See Richtung Einstieg. Wenn ich ehrlich bin, habe ich keine Idee was mich erwartet. Ich bin noch nie richtig alpin geklettert, weiß nicht wirklich wie das mit den Mehrseilrouten so geht und kann auch nicht einschätzen wie schwierig es werden wird, ob ich die Höhe ab kann und ob ich irgendwann Angst bekommen werde. Aber ich klettere gerne und vertraue Gunther, Gunter und Carola voll und ganz. Wenn die mir das zutrauen wird es schon klappen…
Der von der Ankerbucht mit Fernglas ausgespähte Einstieg (auf 400 m) scheint zu passen. In IIer bis IIIer Gelände kommen wir gut voran, nur einmal muss ich etwas durchatmen und den Gedanken ans Abrutschen wegschieben. Auf einem Absatz mit grandioser Aussicht beschließen wir die Seile auszupacken und gesichert weiter zu klettern. Das Wetter ist besser als erwartet, die Sonne durchbricht ab und an die Wolken und es ist angenehm warm und windstill, ideale Bedingungen. Die uns vorliegenden Beschreibungen sind recht dürftig, wir wissen lediglich an welcher Kante es hoch gehen soll (für die Kletterleute: es gibt kein Topo). Wir klettern jeweils zu zweit. Gunter steigt vor und wählt die Route aus, Carola sichert und steigt dann nach. Als zweite Seilschaft folgen Gunther und ich. Für mich ist es vergleichsweise leicht, denn ich weiß, dass die anderen sicher hoch gekommen sind und muss nur entlang des Seils nach oben klettern. Der Granit ist rauh und gut griffig und ich finde überall genügend Griffe und Tritte. Herumliegendes Geröll versuche ich zu umsteigen, damit es nicht ins Rutschen kommt. Ein bisschen kucken muss man schon, wo man hintritt und woran man sich festkrallen kann. Wie ich erst hinterher erfahre liegt hier jedoch eher viel Geröll rum und so donnert doch der ein oder andere Stein herab. Die Höhe macht mir glücklicherweise keine Probleme. Es gibt immer wieder Absätze, so dass wir kurz rasten können. Die Aussicht ist grandios. Wie schon bei der Besteigung von Ingrids Toppen blicken wir begeistert auf die umliegenden Berge, Gletscher und Fjorde. Und wir haben die LUNA die ganze Zeit über im Blick – gut zu wissen, dass ULI und Eshana unten auf uns warten! Am Fels hängend bedaure ich, dass der Fotoapparat im Rucksack liegt und somit nicht erreichbar ist. Ich schalte ab und an die GoPro an, die an meinen Helm montiert Fotos und Zeitraffervideos aufnimmt. Da ich ungeübt bin, kann ich kaum kontrollieren was genau ich damit aufs Bild bekomme.
Gefühlt kommen wir zwar gut voran, müssen aber feststellen, dass wir zu langsam sind. Laut Beschreibung dauert die Klettertour 5,5 Stunden. Uns war klar, dass wir länger brauchen werden, immerhin müssen wir nach dem Einstieg 700 m klettern und den Weg dazu erst noch suchen. Langsam verschwindet die Sonne hinter dem Gipfel und wir beeilen uns so gut es geht. Die Schlüsselstelle (IV+) liegt laut Beschreibung recht weit oben, wo genau erschließt sich mir nicht. Ich bin froh, hier nicht vorsteigen zu müssen. Irgendwann sind wir laut Höhenmesser auf 1060 m, der Gipfel ist noch nicht zu erkennen. Das Klettern am Grad auf den letzten Höhemetern ist noch einmal besonders beeindruckend schön, mit Blick in tiefe Schluchten und auf weiß in der Sonne strahlende Schneefelder. Dann empfängt mich Gunther am Stand mit den Worten „wir haben es geschafft und können die Schuhe wechseln“. Die letzten Höhenmeter laufen wir ohne Seil über Felsbrocken und Geröll und erreichen dann endlich den Gipfel! Gunter und Carola warten schon lachend auf uns. Wir grinsen, sind glücklich und erleichtert! In Eile werden Fotos gemacht, geraucht, gegessen und getrunken. Mit dem Iridium-Handy rufe ich ULI an und gebe unseren Standort durch: wir sind oben, endlich!
-> Foto
Nach etwa einer halben Stunde brechen wir um 19:30 Uhr auf. Es ist reichlich spät und uns steht noch der lange Abstieg bevor. Wir laufen fast eine Stunde vom Naujarssuit (1.100 m) bis zum Nachbargipfel (Ingrids Toppen, 1.020 m), von dem aus wir den zuvor erkundeten Weg absteigen. Zügig eilen wir den Geröllhang hinab. Es ist schon so gut wie dunkel als wir die schwierige Stelle den Wasserfall runter erreichen. Ich kann mich gut hinunter tasten, werde aber ziemlich nass. Inzwischen ist es dunkel und es geht mit Stirnlampen weiter. Dummerweise finde ich meine nicht. Ich fluche über meine Blödheit und bleibe dicht bei den anderen, die für mich mit leuchten (später fluche ich noch mehr, denn ich hatte meine Lampe nicht vergessen, sondern war nur zu blöde sie zu finden). So geht es im Gänsemarsch über Geröll, Felsbrocken, Schneefelder, Moose und Krüppelwaldfelder hinab. Beim Gehen schwitzen wir, beim Pausieren ist es schnell kalt. Es ist nach Mitternacht, als wir den See erreichen, wo der Weg einfacher wird und um 1:30 sind wir endlich am Dinghylandeplatz. Uli holt uns ab. An Bord hat Eshana für uns ein köstliches Nachtmahl gekocht. Ich bin ziemlich ausgehungert und hatte überhaupt keine Lust mehr noch mehr Früchteriegel und Nüsse zu essen. Beim Essen berichten wir begeistert von unserer Tour. Nach einem kleinen Schluck Whiskey fallen alle todmüde in die Kojen.
(Astrid)

 

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Pamiagdluk

… erwartete uns mit schönen Bergen und Wänden, wie schon in der Ankerbucht zuvor und auf der Fahrt durch die Fjorde. In alle Richtungen waren die schönsten Wände zu sehen. Beeindruckt von dem Panorama und den vielen Klettermöglichkeiten, bestaunten wir die Aussicht. „Gunther, das haste super ausgesucht!“, stellten wir fest. Gunther hatte in einem seiner Arktis-Bücher von dieser Insel gelesen und in dem Bericht von einer Expedition hatten die Erstbesteiger*innen verschiedene Klettertouren beschrieben. Eine davon erschien für uns machbar: Die „Fünfzigerkante“ geht auf den Naujarssuit (1100m) und hat ihren Namen bekommen, weil zwei gerade mit 50 genullte diese Route zusammen als erste geklettert sind. Sie hat 700 Höhenmeter, hauptsächlich im IV. Schwierigkeitsgrad mit einer V- Stelle, ist selbst abzusichern (alpin) und wird über einen Nachbar-Pik abgestiegen (Ingrids Toppen). Gunther hatte den Tipp bekommen, den Abstieg von dem gegenüberliegenden Gipfel in Augenschein zu nehmen, weil der Weg von oben nicht gut zu finden sei. Hochkommen ist ja nur die halbe Miete -> Wir wollen ja auch wieder zurück! Der Plan war also einen schönen Platz für die Zelte finden, auf den Punkt 788m laufen, um den Abstieg zu begutachten, Einstieg für die Klettertour finden und dann bei gutem Wetter in die Tour einsteigen.
Die von Erstbegeher*innen als Hafen beschriebenen Bucht entpuppte sich als 1a-Ankerplatz und wurde später von Uli „LUNAs Place“ getauft (Auch wenn sie laut Gunther schon einen Namen hat 12). Der nächste Tag war – wie vorhergesagt – regnerisch, grau und ungemütlich. Also beschlossen wir erst am Mittwoch unser Basislager aufzubauen und nutzten die Zeit für einen ausgiebigen Landgang, sammeln von … Ihr ahnt es schon … genau: Angelika, Pilzen und diesmal auch Löwenzahn … und natürlich – weil Astrid und Gunter mit dabei waren – für ausgiebige Fotosessions mit verschiedensten Moos-, Wasser- und Felsformationen. Zurück an Bord erwartete Astrid ein Geburtstagstisch mit Kuchen, Kaffee und Geschenken.
Nachdem wir am nächsten Tag die Zelte aufgebaut hatten, bestiegen wir nachmittags bei bewölktem Himmel den Punkt 788 in der Hoffnung, dass es weiter aufklaren würde. Die Aussicht war super, aber leider waberten immer wieder Wolken durch das Tal und der Abstieg war nur teilweise einsehbar. Astrid wunderte sich über die Bezeichnung „leichter Track“: Einen Weg gab es nicht, auch keine Steigspuren, es ging erst über Moos, Wiesen, Sümpfe und Gestrüpp, zum Gipfel hin suchten wir uns den besten Weg über Schneefelder und Felsblöcke. Auf dem Rückweg kam es zu dem von Eshana schon beschriebenen Schuhnotfall (von Gunthers Bergschuh hatte sich die Hälfte der Sohle gelöst). Der Respekt vor dem Abstieg nach der Klettertour, der als „anspruchsvoller Track“ mit einer IIIer Kletterstelle beschrieben wurde, wuchs und wir wollten uns das auf jeden Fall noch genauer angucken.
Da der nächste Tag verregnet war, hingen wir den halben Tag in den Zelten ab. Gunther und Astrid machten sich nachmittags zur LUNA auf, die als mobile Schusterei und Versorgungsschiff wieder vor Anker lag (Per Iridium-handy hatten wir sie zuvor angefordert). Gunter und ich blieben die Nacht über im Basislager und konnten das Ankerlicht wie einen aufgehenden Stern im Dunkeln sehen. Am nächsten Morgen bei bestem Kletterwetter :-‚ machten wir uns von verschiedenen Richtungen auf, Einstieg und Abstieg in Augenschein zu nehmen und trafen uns auf dem Weg zur Besteigung von Ingrids Toppen (1020m). Wieder ging es über Felsblöcke, Schneefelder und 45-50 Grad Grashänge, die IIIer Kletterstelle entpuppte sich als Klettern in einem kleinen Wasserfall mit moosbewachsenen Schlammtritten und losen Steinen. Nachdem wir uns über Geröll und Steine auf den Gipfel geschafft hatten, wurden wir mit einer grandiosen Aussicht belohnt. Bei klarem Himmel war die Sicht unbeschreiblich. Astrid hat versucht die Worte zum Beschreiben zu finden: „abgefahren, wunderschön, fantastisch…“ und ist dann irgendwann auf „grönländisch“ gekommen. Gunther meinte, „So etwas Schönes habe ich noch nie gesehen!“ Gunters Kommentar war „Geilomat!“ und ich staunte in alle Richtungen und konnte nur „Abgefahren! Abgefahrene Nummer“ vor mich hinsagen. Wir sahen das offene Meer vor Kap Farvel, die Fjorde, die näheren Gipfel, im Hintergrund die bizarren Spitzen der weiterentfernten Gipfel und ein Troll, Gletscher und Schneefelder. Der Abstieg ging erst durchs Geröll und wir stellten fest, dass der Weg von oben wirklich schwierig zu finden ist, wenn du nicht weißt, wo du gut runterkommst. Zurück am Zelt stürzten wir uns ausgehungert auf die Outdoor-Futtertüten. Aber… ich schaffte nur ne halbe Suppe, weil mir schlecht war… ein paar Stunden später ging es Gunther ähnlich. Das Klopapier-Massaker (das waren unsere Marker) am nächsten Morgen zeugte von unserer unruhigen Nacht. So waren Gunter und ich etwas langsamer unterwegs. Da die Vorhersage für die nächsten Tage Regen prognostizierte, hatten wir schon am Abend vorher beschlossen, unsere Zelte abzubrechen und auf ein gutes Wetterfenster zu warten, um uns dann direkt in die Tour zu stürzen.
Heute sind wir bei Nieselregen und Schwachwind drei Fjorde weiter in die nächste tolle Ankerbucht gefahren (gegenüber vom Tasermiut-Fjord). Wenn das Wetter passt, können wir vielleicht morgen etwas kürzeres Klettern.

Von Carola, 19.08.2018

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Ein unerwarteter Besuch

Kurz nachdem Uli und Eshana Astrid und Gunther in der Bucht vor Pamiagdluk eingesammelt hatten, um Gunthers Schuhnotfall zu beheben, entdeckte Astrid im dämmernden Licht eine ungewöhnliche Gestalt. Es war eine einzelne Kajakfahrerin, die sich dort aus dem Fjord der LUNA näherte. Astrid winkte sie heran und lud sie auf einen Kaffee bei uns an Bord ein, den sie mehr als dankend annahm. Sie war den ganzen Tag von einer Insel kurz vor dem Kap, auf der sie in der stürmischen Nacht Zuflucht gesucht hatte, gepaddelt und hatte nun den Mast erspäht. Wie sie berichtete, hatte sie sich dabei zu einem kurzen Traum hinreißen lassen, dass dieser Mast zu einem Schiff gehören würde und dort eine Person stehen würde, die ihr einen heißen Kaffee entgegenstrecken würde. Gerechnet hatte sie jedoch nicht damit, sie hatte schon länger keine anderen Personen mehr getroffen und wagte auch nicht darauf zu hoffen, dass sich das bald ändern würde. Wir konnten mit diesem Kaffee also ihre kühnsten Träume verwirklichen und übertrafen diese dann auch noch mit einer Einladung zum Essen. Wir möchten an dieser Stelle gerne ein paar Worte über unsere unerwartete Besucherin verlieren. Ihr Name ist Tara, sie ist eine junge Neuseeländerin, die ebenfalls bereits seit Anfang Juni in den grönländischen Gewässern mit ihrem Kajak unterwegs war. Von Sissimut gestartet hatte sie sich mit einer Freundin gen Süden vorgepaddelt. Die Freundin war vor ein paar Wochen abgereist, seitdem war sie hier alleine unterwegs und befand sich nun nach dem Versuch einer Umrundung des Kap Farvels auf dem Rückweg nach Nanortalik. Wie Astrid und Uli erfreut feststellen konnten, war auch sie bereits – allerdings mit ihrem Kajak und nicht mit einem Schiff – in Spitzbergen und entlang der Küste Norwegens unterwegs gewesen und arbeitete sonst auf Kreuzfahrtschiffen in der Antarktis als Kajakguide und so gab es viel Gesprächsstoff und es wurde zu einem lustigen Abend voller spannender Reiseberichte und Anekdoten, begleitet von dem Versuch, die Schuhsohlen von Gunthers Wanderstiefeln dazu zu bewegen, wieder an seinen Schuhen zu haften. Wir konnten Tara dazu überreden, die Nacht bei uns an Bord zu verbringen nachdem sie das Kajak mit Astrids Hilfe sicher an Land verstaut hatte. Nach einem ausgiebigen Frühstück mit Eiern und Obst wollten sich sowohl unsere nette Besucherin als auch unsere lieben Mitsegler wieder auf den Weg machen und nach einem kurzen von Uli geführten Rundgang an Land und einer kleinen Fotosession sowohl vom Kajak als auch von der Luna schauten wir Tara noch nach, bis sie wieder in der weiten Landschaft der Fjorde verschwunden war. Danach genossen Uli und Eshana einen sonnigen Tag voller Ruhe und Lesen an Bord, für den morgigen Tag erwarteten wir die restliche Crew wieder zurück an Bord der LUNA.

Von Uli und Eshana, 18.08.2018

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Ganz im Süden

Es ist nun bereits einige Zeit vergangen und wir melden uns mit neusten Informationen vom aktuellen Versorgungsschiff „LUNA“, welches gerade zur Unterstützung unseres Bergsteiger-Basislagers vor Anker liegt, zurück.
Die 7. Etappe starteten wir von Narsarsuaq aus direkt mit einem besonderen Wunsch von Gunter und Carola: sie wollten unbedingt den kalbenden Gletscher im nächsten Fjord – Qooqqut – sehen. Die Luna legte also bei dichter werdendem Nebel ab und tastete sich Radargesteuert durch die eisigen Hindernisse. Erst sah es schlecht für uns aus, mit Näherkommen lichtete sich jedoch der Nebel und gab den Blick auf einen Parkourlauf aus riesenhaften Eisbergen frei. Uli hatte mich netterweise pünktlich dazu ans Steuer gestellt und so war ich drauf und dran meine erste Eisfahrt zu bestreiten. Mit vor Panik weit aufgerissenen Augen manövrierte ich die Luna mit Ulis Hilfe durch diese verworrenen Wasserwege während die restliche Crew aus dem Fotografieren und Staunen kaum herauskam. Letzte Nebelschwaden umwaberten geisterhaft die bläulich und weiß schimmernden Kolosse, immer wieder waren laute Knallgeräusche und das Bersten von Eis zu hören. Wir näherten uns langsam dem Fjord und dem dort dichter aber auch kleiner werdenden Eis. In Schlangenlinien und mit scharfen Kurven umfuhren wir so lange jeden Eisberg, bis das Eis so dicht wurde, dass wir mit max. 1 kn Geschwindigkeit und Wegschieben der kleineren Eisberge nur noch wenig Strecke machten. Der Gletscherzunge hatten wir uns dabei nur marginal genähert, gerade mal um 2 sm des 7 sm langen Fjordes – auch wenn es sich ganz anders angefühlt hatte. Um das Ganze fotografisch festzuhalten, setzten wir Gunter und Astrid im Beiboot aus. Astrids Anforderungen an das Modell waren hart! Wir mussten durch kleinste Lücken fahren um das Staken spektakulär zur Geltung zu bringen. Erschöpft gab ich irgendwann das Steuer dankbar an Uli ab, die uns sicher wieder herausmanövrierte und uns in Richtung Narsaq zum Tanken fuhr. Die Nacht ankerten wir in einer verstecken kleinen Bucht mit schmaler Durchfahrt, in der eine verlassene Siedlung beschrieben war. Beim Landgang am nächsten Morgen konnten wir diese nicht finden, jedoch eine große Menge an Pilzen und Krähbeeren. Unser Weg führte uns weiter nach Qaqortoq. Gunter fiel die Ehre zu, die erste gesegelte halbe Stunde dieser Etappe mit seinen ersten Steuererfahrungen zu kombinieren. Beim Einlaufen in Qaqortoq bot sich uns ein verschiedenartiges Bild. Vor Anker lagen dort zwei große Kreuzfahrtschiffe. Dahinter konnten wir diese malerische Metropole des Südens ausmachen. Bunte Häuser in leuchtenden grün, rot, lila oder gelbtönen schmiegten sich an die Berghänge. Beim Anlaufen in den Hafen konnten wir die FREYDIS ausmachen, die Gunther und Carola zuvor ja bereits getroffen hatten. Sie hatten gerade einen Crewwechsel mit einigen Schwierigkeiten hinter sich und nach einer kurzen Besichtigung des Schiffes legten sie auch schon wieder ab. Wir erkundeten daraufhin noch den Ort und fanden am Fischereihafen einen Stand mit frischem Walfleisch. Wir wurden begeistert in Empfang genommen, durften Matuk und Wal probieren und man erläuterte uns soweit es aufgrund der sprachlichen Barriere ging alle möglichen Fragen. Der Ort organisierte sich um einen kleinen Marktplatz mit einem Springbrunnen mit Walfiguren, der nahe dem Hafen gelegen war. Daneben floss ein kleiner Fluss in grünen Auen, der den Abläufen nach zu urteilen wohl die Trinkwasserversorgung des Ortes sicherstellte. Außerdem konnten wir eine kleine Bar ausfindig machen, die für den Abend Livemusik anpries. Wir hatten allerdings vorher noch zwei Termine: der Erste war das Abpassen des Bootes aus Narsarsuaq. Unglücklicherweise hatten Gunter und Carola ihre Kletterhelme im Hostel in Narsarsuaq vergessen, doch nach einem kurzen Telefonat konnten sie eine Nachlieferung nach Qaqortoq organisieren. Danach stand ein letzter Großeinkauf an, da sich uns hier die letzten umfangreichen Einkaufsmöglichkeiten bieten sollten. Mit drei Einkaufswagen und einer großen Menge an Rucksäcken und Taschen bewaffnet arbeiteten wir uns durch den Laden. Das Verstauen sollte noch einige Zeit in Anspruch nehmen und als es irgendwann Zeit zum „Party machen“ war, knickte ich als Jüngste sowie die beiden Gunt(h)ers bereits schon ein und entschieden uns, schlafen zu gehen, während die Anderen sich noch auf ein Tänzchen und ein Bier aufmachten. Der nächste Morgen führte uns zu den hier legendären und mystischen heißen Quellen nach Unartoq. Diese scheinen auch ein beliebtes Wochenendziel für die Grönländer zu sein, weshalb wir nach dem Ankern noch etwas warteten, bis wir uns ungestört in die heißen Fluten dieses kleinen Teiches stürzen konnten. Da Uli, Gunther und ich feststellen mussten, dass das Herauskommen aus dem heißen Wasser wesentlich unangenehmer war als das hineinschlüpfen, ließen wir uns dort treiben bis die Finger ganz schrumpelig waren und wir Mitleid mit denen das Boot bewachenden armen Mitseglerinnen bekamen. Am Folgetag arbeiteten wir uns weiter in Richtung Kap Farvel vor, da unsere Bergsteiger/ Kletterer dort von geeigneten Spots gehört hatten. Als wir beim Motoren bei absoluter Flaute an einem recht flachen und großen gestrandeten Eisberg vorbeikamen, fühlten sich Astrid und ich stark an eine Situation des Spitzbergentörns erinnert. Dort entstand ein Foto meines lieben Papas – Rolf – mit Astrid in Bademode auf einem kleinen Eisberg posierend. Wir hielten es für eine witzige und gute Idee, dieses Foto nachzustellen und nach einem schwierigen Näherungsmanöver und der Feststellung, dass es ganz schön glatt auf einem Eisberg sein kann, setze Gunter als Erster und Einziger mit Steigeisen und einer Leine bewaffnet über, an der Astrid und ich uns – eher robbend als laufend – entlanghangeln konnten. Meine Güte war das kalt am Allerwertesten!!! Wir hielten zur Eile mit dem Posing an und machten uns schnell wieder auf den rutschigen Rückweg. Beim Übersteigen auf das Schiff geschah jedoch ein kleines Unglück: ich rutschte ab und hängte mich mit meinem Bein leicht an der Steuerbord-Buglaterne auf. Damit sorgte ich leider für eine kleine Planänderung, die uns nicht direkt in die nächste Ankerbucht, sondern erst einmal nach Nanortalik ins Krankenhaus zum Nähen führte. Danach konnte es frischen Mutes weiter durch strömungsreiches Wasser und enge Fahrrinnen hindurch zur Ankerbucht für die Nacht gehen. Gunter hatte mal wieder die Ehre, genau zum richtigen Zeitpunkt am Steuer zu stehen. Panisch am Steuerrad drehend und von Astrid gelotst, manövrierte er die LUNA sicher durch dieses schwierige Fahrwasser.
Der nächste Tag versprach Großes: wir erreichten endlich unser Etappenziel – die Kletterwand an der Ostseite von Pamiagdluk – einer Insel im Süden Grönlands, knapp nördlich von Kap Farvel. Die vier Kletterer waren bereits den letzten Tag mit Ausrüstung packen und zusammensuchen schwer beschäftigt. Da gerade beim Packen auf eine sinnvolle Reihenfolge geachtet werden muss, wurden alle Utensilien vorher ausgebreitet, verteilt und dann nach und nach verstaut. Uli und ich flüchteten uns hinters Steuer, da wir uns mit all diesen fremdartigen Gegenständen und Bezeichnungen diverser Kletterutensilien recht wenig vertraut fühlten und wir nur im Weg standen. Der Plan für die kommenden Tage war folgender: Wir würden die Kletterer absetzen und sie wieder abholen, wenn sie nicht mehr wollten. Dazwischen konnten wir „High life“ machen. Der Ablauf gestaltete sich jedoch als viel verworrener. Regen, Nebel, nicht ausreichende Beschreibungen und vieles mehr kamen diesem Plan in die Quere, weshalb wir dann doch in der Nähe blieben und die Kletterer die ein oder andere Nacht hier noch an Bord verbringen konnten. Zwischenzeitlich hatten wir einen kurzen Ausflug gewagt, der uns einen segelreichen Tag mit einer tollen Vorwindkreuz bei Geschwindigkeiten bis zu 7 kn und traumhafter Kulisse der Inselwelt vor Kap Farvel bescherte. Geplant war das Ankern an einem Sandstrand in einem kleinen Fjord bei Tasiussaq, dessen schmale Einfahrt bis auf eine knappe Durchfahrt von einem großen Eisberg blockiert war. Wir tasteten uns vorsichtig zwischen Eisberg und Felswand hindurch. Im Fjord selber mussten wir dann feststellen, dass der Wind nicht aus der angesagten und erwarteten Richtung kam. Bereits auf dem Hinweg hatten wir feststellen müssen, dass der Wind in diesem Revier aus allen Richtungen kommen konnte und ganz plötzlich und mit scharfen Kanten auffrischen oder abflauen konnte. Wir konnten also nicht bleiben und mussten den Weg zurück zu einer anderen Bucht kreuzen. Bei der Anfahrt zitterten wir noch leicht, da auch hier der Wind kurz vor der Bucht in die denkbar ungünstigste Richtung gedreht hatte. Die Bucht selber fanden wir dann jedoch ausreichend geschützt vor und blieben dort die Nacht. Am nächsten Morgen wurden wir dann zu den Kletterern zurückbeordert – es gab einen kleinen Schuhnotfall und die Klettertour konnte nicht fortgesetzt werden. Uli und ich hatten noch einige Arbeiten vor uns: es waren Unmengen an Pilzen und Angelika (Samen, Blätter, Stängel) gesammelt worden, die alle noch zu verarbeiten waren, außerdem waren noch ein paar Arbeiten am Schiff zu machen. Wir wollten die kommenden Tage deshalb entspannt damit zubringen, bis die Kletterer wieder zu uns stoßen würden und blieben so lange vor Pamiagdluk als Versorgungsschiff liegen.

Von Eshana, 18.08.2018

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Angelika, Angelika!

Südgrönland – was für ein Paradies! Wir entdecken hier eine arktische Köstlichkeit nach der anderen. Angefangen hat es mit ganz banalen Pilzen. Narsarsuaq, ein 130 Einwohner Nest mit internationalem Flughafen ist auf den ersten Blick etwas öde. Doch schon auf dem Weg auf den Hausberg sind wir begeistert. Es gibt hier richtige Bäume, fast 2 m hoch (Eine von mehreren Studien, die hier laufen. Es galt heraus zu finden, ob in Grönland auch Pflanzen und Bäume wachsen, die z. B. in den Alpen unter ähnlichen Bedingungen zu finden sind. Ja, alles, was in den Alpen in der Nähe der Baumgrenze wächst, wächst auch hier gut. Ca. 120 verschiedene Arten sind im hiesigen Arboretum gepflanzt worden.). Dazwischen wuchern üppig Moose, Flechten, Blumen, Pilze, Thymian, allerlei unbekanntes Zeug und Angelika. Wir sammeln die ersten Pilze und transportieren sie in der Kapuze meiner Ölzeugjacke. Da es nicht reicht, um alle satt zu bekommen, geht Carola abends nochmal los und kommt voll beladen zurück. Sie ist auf ein Nest voller „Steinpilze“ (oder sowas ähnliches) gestoßen und hat durchs Gebüsch kriechend ordentlich zugelangt. Folglich hat es den ganzen Abend gedauert alle zu säubern und klein zu schnippeln. Das Festmahl am Folgetag war dann auch köstlich! In den nächsten Tagen haben wir an allen Ankerplätzen Pilze gefunden. Diese werden mit Omelette gebraten, gedünstet, zu Pilzrisotto verarbeitet und getrocknet.
Gelesen hatten wir über Angelika und Engelwurz schon viel (Anmerkung: erst nach Tagen ist uns klar geworden, dass beides dasselbe ist!). Beim Abendessen im Hotel in Narsarsuaq gab es vorweg sehr schmackhafte Angelikabutter und Salat mit Angelika-Stengeln. Danach waren wir angefixed und haben die ersten Stauden gesammelt, um Rezepte auszuprobieren. An Bord gibt es nun Salat mit Angelika, Angelikabutter, Angelika Pesto, Angelika-Karamell und sogar mein Geburtstagskuchen war mit Angelika veredelt. In Planung ist noch Angelikabrot; in der Kajüte hängt nun alles voll mit Blüten, Blättern und Stängeln, die trocknen sollen.
Zur Veranschaulichung für unsere Leser: Am Montag konnten wir unser Abendessen fast vollständig mit grönländischen Erzeugnissen zubereiten. Es gab Salat aus selbstgesammelten Löwenzahn mit etwas Karotte, Paprika und Angelika. Dazu grönländisches Lamm (angeblich gibt es hier das weltweit schmackhafteste Lamm) mit Kartoffeln und Pilzen, das Lamm zubereitet auf walisische Art mit Honig, Ingwer und Knoblauch. Okay, zugegeben, ein paar dieser Zutaten sind wohl eher eingeflogen. Und heute gab es dann Pilzrisotto, wieder mit Löwenzahlsalat, weil’s so lecker war.
Wir ankern gerade vor Pamiagdluk. Tolle steile Bergwände um uns herum, der Garten Eden an Land (Angelika, Löwenzahl, Pilze). Während es auf dem Weg nach Narsarsuaq und auch danach nochmal ganz ganz viel Eis zu bestaunen gab, bin ich hier green-flashed. An Land ist alles feucht und üppig grün. Das Moos leuchtet selbst bei Regen in unglaublich grellem grün. Dazu immer wieder die hübsche Angelika, Moose, Flechten und die niedrig wachsenden Bäume in allen möglichen Farben, dazwischen Krähenbeeren, grell rote Pilze und viele Blumen. Sieht alles sehr, sehr schön aus.
In den letzten Tagen hatten wir kein Netz, das heißt weder Internet, SMS noch Telefon. Das wird vermutlich auch erstmal so bleiben, bis wir wieder in die Nähe einer Ortschaft mit Verbindung in die große weite Welt kommen. Wenn nötig sind wir über Iridium erreichbar.

(Astrid, 14. August)

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